In den asiatischen Kampfsportarten werden viele unterschiedliche Waffen zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt. Mit einigen dieser Waffen wird jedoch überwiegend nur noch aus historischen, artistischen oder spirituellen Gründen trainiert, da sie unzeitgemäß geworden sind. Andere hingegen kommen auch heute noch zum Einsatz und dienen der modernen Selbstverteidigung als hoch effektive Werkzeuge. Die meisten dieser jetzt noch gebräuchlichen Waffen sind nicht ausschließlich einer Kampfkunst zugehörig, sondern dem asiatischen Kulturkreis insgesamt zuzuordnen.
Die Bandbreite an Waffen im Hapkido ist groß und spiegelt dessen besondere Eigenschaft als weitreichende Kampfkunst wider. Das grundlegende Waffentraining umfasst folgende Waffenarten:
-
Messer Techniken (Kal)
-
Kurzstock Techniken (Tan-Pong)
-
Stab Techniken (Chang-Pong)
-
Krück-Stock Techniken (Ji-Pang-I)
-
Schwert Techniken (Gum)
-
Gürtel Techniken (Pho-Bak-Sul)
-
Wurftechniken (Stein, Sand, Messer)
-
Fächer Techniken (Bu-Che) (*)
-
Verteidigung gegen Handfeuerwaffen (*)
*Anmerkung Fächer: Zur Bewahrung der Überlieferungen in einigen traditionell ausgerichteten Systemen, wie dem sich auf die alten koreanischen Kampfkünste berufende Kuk-Sul-Won Hapkido. Anmerkung Handfeuerwaffen: Die Verteidigung gegen Handfeuerwaffen gehört ursprünglich nicht zum traditionellen Hapkido, jedoch ist es heute in vielen Organisationen üblich, dass diese Techniken gelehrt werden.
Historische Entwicklung
Geschichtlich gesehen wurden Waffen in Asien in drei Bevölkerungsbereichen entwickelt: Dem Militär, den Klöstern und den normalen Stadt- und Landbewohnern. Folglich reflektieren die speziellen Charaktere und Anwendungsprinzipien der einzelnen Waffen ihre historischen Wurzeln und die Begründung dafür, warum sich gerade diese Waffen in den jeweiligen Klassen entwickelt haben.
Das Schwert ist eine rein militärische Waffe, welche zum Einsatz im Krieg geschaffen wurde. In antiken Zeiten zielten militärische Waffen in ihrer Wirkung auf das schnelle Ausschalten des Feindes hin. Der Tod des Gegners wurde in Kauf genommen bzw. war beabsichtigt. Der Krückstock dagegen ist ein Gebrauchsgegenstand, der sich in der Selbstverteidigung zu einem praktikablen Werkzeug weiterentwickelt hat. Ursprünglich benutzen ihn Mönche und einfache Bürger, da ihnen der Waffenbesitz häufig verboten war und sie deshalb auf unverdächtige Gegenstände zurückgreifen mussten. In ihrer Wirkung sind die von Mönchen entwickelten Waffen genauso effektiv und benötigen mehr Geschick als Kraft.
Hapkido entwickelte sich als eine „neue“ Kampfkunst des 20. Jahrhunderts, nachdem die meisten traditionellen Waffen bereits vor hunderten von Jahren in Gebrauch kamen. Folglich war es, wie bei den meisten modernen Kampfkünsten auch, nicht erforderlich, komplett neue Waffensysteme zu entwickeln. Durch Einbringung ihrer Persönlichkeiten und unterschiedlichen Traditionen entwickelten die Hapkido Großmeister nach und nach die Kunst weiter und es entstand ein zeitgemäßes System. Großmeister Choi Yung Sul hatte bei seinem Training unter Takeda Sokaku, einem gebürtigen japanischen Samurai, mit Gewissheit die gesamte Bandbreite der traditionellen japanischen Handwaffen erlernt. Hieraus übernahm er selektive Elemente und integrierte diese Techniken in das neue System des 20. Jahrhunderts. Über Jahre hinweg wurden diese Techniken durch die eigenen Beiträge der verschiedensten Hapkido Pioniere verbessert und modifiziert. So gibt Großmeister Ji an, dass er im Wesentlichen die Chang-Pong Techniken weiterentwickelt hat.
Daraus folgt, dass die Waffentechniken, wie sie heute im Hapkido praktiziert werden, verglichen mit anderen Kampfkünsten eine einzigartige Qualität und Aktualität besitzen. Wenn man Hapkido als ein Ganzes betrachtet, wird man schnell erkennen, dass dieselben Grundsätze, die in den waffenlosen Techniken wirken, auch für die Waffen gelten. Diese beinhalten die grundlegenden Prinzipien wie Kreisbewegung, fließende Bewegungsabläufe, Umleitung der Angriffskraft und die Kontrolle des Ki. Waffen werden für Hebel- und Wurftechniken sowie bei Schlagtechniken auf vitale Punkte eingesetzt. Dieses macht Hapkido zu einer der wenigen modernen Kampfkünste, die beide Kampfarten, sowohl den waffenlosen als auch den bewaffnete Kampf, miteinander in ein einziges geschlossenes und erlernbares System integriert.
Der Gebrauch der Waffen
Im Hapkido ist der Umgang mit Waffen durch festgelegte technische und philosophische Qualitäten bestimmt. Einfach zu verstehen ist es aus technischer Sicht, denn Waffen sind in ihrer Konzeption als Verlängerung des Armes oder Körpers einsetzbar und die Technik erfolgt auf Basis derselben physikalischen Prinzipien wie ohne Waffen. Die zugrundeliegende Denkweise beim Gebrauch lässt sich mit drei Worten beschreiben, nämlich praktisch, vielseitig und human.
Praxisnah: Gebrauch realer, einsetzbarer Gegenstände
Die im Hapkido eingesetzten Waffen sind ursprünglich in ihrer praktischen Verwendung und Bedeutung für die unterschiedlichsten Situationen des modernen Lebens ausgewählt worden. Demzufolge sind Hapkido Waffen keine erfundenen Produkte, kompliziert oder teuer, vielmehr sind es einfache, nützliche und harmlose Gebrauchsgegenstände. Von ihrem Ursprung her kann man sie eher den Werkzeugen zuordnen, zusammenfassend gesagt, Hapkido Waffen stellen gewöhnliche Objekte des täglichen Lebens dar.
Vielseitigkeit: Alles ist eine Waffe
Aus der Sicht eines erfahrenen Hapkidomeisters kann praktisch alles zu einer Waffe werden. Wenn man die oben aufgeführten Hapkido Waffen beherrscht, besitzt man eine große Bandbreite an Techniken, so dass man so gut wie jeden Gegenstand als Waffe nutzen kann.
Demzufolge hat das Waffentraining im Hapkido zwei Ziele:
1) das Erlernen des Umgangs mit der speziellen Waffe durch Erfahrung.
2) die Vermittlung grundlegender Prinzipien und Mechanismen, wie man demzufolge zahlreiche Gebrauchsgegenstände nutzen und als Waffe gebrauchen kann.
Zum Beispiel können Techniken mit dem Krückstock auch wahlweise mit einem Regenschirm oder einem mittellangen Stock eingesetzt werden. Kurz-Stock Techniken lassen sich auch mit einer zusammengerollten Zeitung, einem Rohr, einem Werkzeug oder jedem Gegenstand, welcher ähnliche physische Eigenschaften besitzt, anwenden.
Eine besondere Stellung hat das Schwert inne. Mit Sicherheit ist es eine antiquierte Waffe und deren Studium hauptsächlich nur von historischem Wert. Das Training mit dem Schwert fördert jedoch einerseits in hohem Maße nicht nur die körperlichen Eigenschaften, wie Kraft, Fokussieren der Kraft, Präzision und Ausdauer, sondern andererseits die geistigen Eigenschaften wie Konzentration, Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Selbstdisziplin. Beherrscht man das Schwert, ist es danach ein Leichtes, Techniken mit einem mittellangen Stock anzuwenden.
Durch das Studium der Waffentechniken im Hapkido verlieren die speziellen physischen Eigenschaften der einzelnen Waffen ihre Bedeutung und die Möglichkeit ihrer Anwendung mit anderen Mitteln tritt in den Vordergrund. So ist es nicht zielführend, sich auf nur eine Bauart oder eine persönliche Neigung zu spezialisieren, da man sich selber von der Einsatzmöglichkeit einer Waffe abhängig macht und im Falle eines Kampfes Grenzen setzt.
Humanität: Handlung muss verhältnismäßig sein
Der Anspruch an Hapkido als eine Selbstverteidigung muss bei jeder Technik der Frage auf Verhältnismäßigkeit in hoher Priorität standhalten. Dieses gilt insbesondere bei der Verwendung von Waffen. Grundsätzlich ist es das Ziel einer Selbstverteidigungstechnik, den Angreifer ohne ernsthafte Verletzungen auszuschalten. Obwohl auch Techniken mit stärkeren Wirkungen trainiert werden, sind diese wirklich nur für lebensbedrohliche Situationen gedacht. Jedem Hapkidoin muss bewusst sein, dass er jeden Schlag mit einer Waffe gegebenenfalls vor einem Gericht zu verantworten hat, besonders dann, wenn der Angreifer unbewaffnet ist. Auch wenn man sich moralisch im Recht sieht, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Rechtsprechung genauso urteilt.
Das Waffentraining
Das Waffentraining im Hapkido basiert auf Fähigkeiten, die man vorher mit waffenlosen Techniken erworben hat. Wenn man diese Erfahrung nicht besitzt, kann dies zu Frustrationen führen. Weil überdies der falsche Gebrauch einer Waffe zu eigenen oder Verletzungen an anderen führen kann, beginnt deshalb in der Regel das Waffentraining im Hapkido erst ab dem schwarzen Gürtel. In diesem Grad sollte der Schüler bereits eine adäquate körperliche und geistige Reife und Selbstbeherrschung entwickelt haben.
Hapkido Waffentraining umfasst nicht die historischen, rituellen Elemente, wie man sie in vielen anderen Kampfkünsten findet. Stattdessen konzentriert sich das Training auf die Ausbildung spezieller offensiver und defensiver Fähigkeiten, die man dann in der Vielfalt der Selbstverteidigungs-Situationen anwenden kann. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Erlernen des Beherrschens einer Waffe Jahre bedarf, und selbst dann ist die Führung der Waffe nicht einfach. Unter den verschiedenen Hapkido Systemen gibt es heute einige Kontroversen, welche Waffe welchem Gürtel zuzuordnen ist. Früher wurden Waffentechniken erst nach dem 4. Dan trainiert, in manchen Verbänden sogar erst im 7. und 8. Dan.
Der Einsatz von Ki-Hap und „Kraftvolle Hände“ ist bei jedem Umgang mit der Waffe selbstverständlich genauso wichtig wie bei waffenlosen Techniken und Bestandteil jedes Waffentrainings. Der Unterricht verlangt jederzeit Konzentration und sorgfältiges Ausführen der Bewegungen. Fehlerhafte Anwendung einer Waffe kann ernsthafte Verletzungen verursachen.
Detlef Klos